Pastoralraum Dünnernthal

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Du stellst meine Füsse
auf weiten Raum

«Eine andere Welt ist möglich.
Diese Hoffnung möchte ich verbreiten.»
Lilian Moreno Sánchez
Das MISEREOR-Hungertuch 2021/2022
„Du stellst meine Füsse auf weiten Raum“ von Lilian Moreno Sánchez © MISEREOR.

Künstlerin
Lilian Moreno Sánchez, geboren 1968 in Buin/Chile, studierte Bildende Kunst in Santiago de Chile. Mitte der neunziger Jahre erhielt sie ein Stipendium in München. Seither lebt und arbeitet sie in Süddeutschland. Ihre Kunst kreist um Leid und dessen Überwindung durch Solidarität und verarbeitet die Erfahrungen während der chilenischen Militärdiktatur. www.morenosanchez.com

Das sagt die Künstlerin:
Warum verwenden Sie Röntgenbilder?
Ein Röntgenbild erlaubt uns, alles genau zu sehen. Mein Bild bleibt aber nicht beim Leiden stehen. Es drückt aus, wie wichtig es ist, wieder aufzustehen, sich zu bewegen und sich zu entwickeln. In uns ist eine Kraft, die es möglich macht, uns zu befreien. Das Hungertuch zeigt Wege hinaus in die Solidarität, die Liebe und die Hoffnung.

Wie war es, das Hungertuch während der Corona-Pandemie zu gestalten?
Eine Krise ist immer schlimm, aber auch ein offener Moment. Wir bekommen die Möglichkeit, eine andere Richtung einzuschlagen. Das Bild erzählt von dieser Kraft des Wandels. Wir haben diese Kraft, um die Welt gerechter zu machen. Diese Hoffnung möchte ich teilen.

Zu den Gestaltungselementen des Bildes
Das Tuch besteht aus drei Teilen (Triptychon).
Schwarze Linien zeichnen das Röntgenbild eines Fusses, der mehrfach gebrochen ist. Der Fuss gehört zu einem Menschen, der bei einer Demonstration in Santiago de Chile durch die Polizei schwer verwundet worden ist. Seit Oktober 2019 protestieren dort auf dem «Platz der Würde» viele Menschen gegen ungerechte Verhältnisse. Tausende Demonstranten wurden durch die Staatsgewalt brutal geschlagen und verhaftet. Dieser Fuss mit den sichtbaren Verletzungen steht stellvertretend für alle Orte, an denen Menschen gebrochen und zertreten werden.

Moreno Sánchez hat ein Hungertuch mit wenigen Farben gestaltet und eine ungewöhnliche Grundlage verwendet: Es ist auf dreierlei Bettwäsche aus einem Krankenhaus und einem bayrischen Frauenkloster gemalt. Damit macht die Künstlerin deutlich: Es kommt auf die körperlichen und die seelisch-spirituellen Gesichtspunkte von Krankheit und Heilung an. Auf dem «Platz der Würde» hat sie Staub eingesammelt und in die Laken gerieben. Der Stoff ist nicht glatt und makellos, graue Flecken und Falten überziehen ihn. Er ist vielfach übereinandergelegt, an Schnittmuster erinnernd, auseinanderklaffend wie verletzte Haut und mit goldenem Zickzack wieder zusammengenäht, um Heilung zu ermöglichen.

Die schwarzen Linien des Röntgenbildes, die verwendeten Materialien Zeichenkohle, Staub und Leinöl, die karge Bildsprache verweisen auf das Sterben Christi und das Leiden der Menschen; dagegen stehen Gold und Blumen für Hoffnung und Liebe. Die Blumen aus Blattgold greifen das Muster der Kloster-Bettwäsche auf. Während das Röntgenbild die ganze Härte des Schmerzes zeigt, symbolisieren sie Kraft und Schönheit des neu erblühenden Lebens. Die Linien vermitteln neben aller Schwere auch ein Gefühl von Leichtigkeit. Sie scheinen zu tanzen: Leben ist ein Prozess, der weitergeht – auch mit verwundeten und gehemmten Füssen vertrauen wir auf die Kraft der Solidarität.

«Du stellst meine Füsse auf weiten Raum» – dieser Vers aus Psalm 31 steht als Titel über dem Hungertuch. Er beschreibt, was im Glauben alles möglich ist. Das Bild des Fusses lässt uns an Aufbruch, Bewegung und Wandel denken; das Bild des «weiten Raumes» lässt uns aufatmen, wenn die Füsse schwach werden. Immer haben die Menschen Zuflucht bei Gott gesucht und gefunden. Aus der Enge der Angst blickten sie hinaus ins Weite und schöpften Kraft für einen Neubeginn – so wie die Betroffenen der Corona-Krise in Chile und weltweit den Aufbruch wagen und ihr Leben wieder neu aufbauen.


Entwirren - Meditationen zum Hungertuch zum ausdrucken.

Quelle: Fastenopfer, Text und Bild
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